(Fotos von © C.Kalnbach und © K.Pannen)
Passend zum Thema unseres Workshops „Comictagebuch“, haben wir unseren Rückblick als Tagebucheintrag verfasst – viel Spaß beim Lesen 🙂

Hamburg, Dienstag, 11. Juli 2017
Auf manche Dinge kann man sich nicht vorbereiten. Auf G20-Gipfel nicht und auf Workshops mit Kindern in Bussen auch nicht. Wie Ersteres ausging, dürfte jeder mitbekommen haben – Letzteres – so viel sei verraten, nahm allerdings ein gutes Ende.
Die Rede ist von unserem Workshop beim 3. Hamburger VorleseVergnügen, den wir zum Thema „Comictagebuch“ gegeben haben. Das VorleseVergnügen ist ein Festival für Kinderliteratur und wird von Autoren (Cornelia Franz, Katja Reider, Kai Pannen und Andreas Schlüter) an ungewöhnlichen Orten in Hamburg organisiert, denn die Sponsoren sind der HVV und die Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften e.V., die ihre Räumlichkeiten oder eben Busse, Bahnen und Schiffe für die Veranstaltungen zur Verfügung stellen.
Für ungefähr 2000 Schüler lesen ca. 40 Autoren innerhalb einer Woche ein sehr abwechslungsreiches Programm aus ihren Büchern. So stammten unsereAnregungen für den Workshop also teilweise aus unserem Buch „Die große Mal- und Zeichenschule für Kinder“, andererseits hatten wir zusätzlich ein ganz neues Konzept entwickelt. Tagelang haben wir einen großartigen Plan ausgetüftelt, was wir machen, wie wir es machen und wo wir es machen. Alles war minutiös durchgetaktet.

Aber Theorie und Realität klaffen ja manchmal weit auseinander … So bekam unser schöner Plan einen ersten tiefen Riss, als wir am Abend vor dem Workshop erfuhren, dass sich eine 1. Klasse angemeldet hatte. Wir waren von Drittklässlern ausgegangen. Das ist ein Unterschied … Gut ja, das müsste man mal sehen, wie weit die denn mit ihren Schreibkenntnissen schon wären – die Schreibtipps würden sonst eben etwas kürzer ausfallen. Dafür könnten wir stattdessen eine Geschichte mehr vorlesen (eine hatten wir zur Reserve vorbereitet), dann würden wir zeitlich genauso hinkommen. Also sind wir guter Hoffnung schlafen gegangen.
Doch als wir uns dann am nächsten Morgen zum ZOB aufmachten, kam der nächste Schlag: Es schüttete wie aus Eimern, Hamburg zeigte sich von seiner nassesten Seite. Da waren die Wasserwerfer während der G20-Krawalle nichts gegen! Der Teil unseres Planes, der vorsah, zeichnend Zeit auf einem Spielplatz in der Hafencity zu verbringen, fiel somit ins Wasser und mit ihm soff ein Teil unseres Mutes ab.

Im trockenen Bus fanden wir dann sehr nette Leute vor – 1 Busfahrer (Mike), 1 Fotografen (Christian), 1 HVV-Schulbeauftrage (Melanie) und 1 Begleiter vom Orga-Team (Kai). Eine Idee, wo man in Hamburg an einem überdachten Ort spontan und unangemeldet mit einer ganzen Schulklasse einfach eine zeitlang sitzen und zeichnen kann, fiel leider keinem ein.
Also haben wir als nächstes erstmal die Mikrophone gecheckt. Die nicht mitmachen wollten. Nicht ein Lämpchen hat sich beteiligt. Dabei war an jeden Adapter gedacht worden. Argh! Wie sollten wir bitte gegen den Motorenlärm des Busses anlesen?! Die Geschichten einfach brüllen? Das würde Stews Stimme wohl kaum schaffen … Somit fiel auch noch der Teil des Vorlesens weg! Was war denn dann eigentlich noch übrig von unserem schönen Plan?! Wenigstens die Tagebuch-Steckbriefe, die wir vorbereitet hatten, würden noch funktionieren.
Im nächsten Moment kamen auch schon die Kinder – nass, aber fröhlich – in den Bus geklettert. Und das Erste, was die Lehrerin sagte, war, dass mindestens zwei Kinder noch nicht lesen könnten. Noch nicht lesen? Das heißt, auch nicht schreiben … Also waren auch die Steckbriefe nicht verwendbar?! Und der Theorie-Teil über Tagebücher würde vor so einem jungen Publikum ja auch keinen Sinn machen – die Kinder waren erst Sieben!

Es gibt diese Momente, wenn nicht mehr viel übrig ist von einem Plan. Von unserem war nun nichts mehr geblieben, als die Begrüßung und unsere Vorstellung. Dafür hätten wir nun wirklich nicht tagelang planen müssen. Alles andere hatte sich zerschlagen, in Luft aufgelöst, pulverisiert, ersäuft, erledigt. Das war derselbe Moment, indem Stew einen Blackout bekam. Es waren wohl einfach zu viele Fäden gerissen. Und der Bus fuhr los. Und das war auch der Moment, als Timo sich einfach unsere Malschule schnappte und improvisierte. Und immerhin schon mal die Tagebücher (Blanko-Skizzenbücher) mit den eingeklebten Steckbriefen verteilte. Rausreißen konnten wir die Steckbriefe sowieso nicht mehr.
Und dann fingen doch ein paar Kinder an, sie auszufüllen und hörten Timo währenddessen fasziniert zu. Gleich darauf fuhr der Bus an Saturn vorbei, was einigen Kindern Begeisterungsrufe entlockte – ob sie endlich anfangen dürften, zu zeichnen? Und ob sie Saturn zeichnen dürften? … warum eigentlich nicht?
Ein Junge ärgerte sich, dass er zuerst eine Kirche gesehen hatte, die müsste er erst fertig zeichnen. Und die Lehrerinnen waren auch ziemlich nett und stellten interessierte Fragen. Und der Bus fuhr und fuhr. Es gab sogar eine erste Frühstückspause während der Fahrt. Das Brötchen lockerte bei Stew die Blockade. Und als ein weiterer kleiner Junge beim Zeichnen auf ernsthafte Schwierigkeiten stieß: „Ich habe alles gezeichnet, was ich gesehen habe. Darf ich jetzt endlich die Sachen zeichnen, die ich nichtgesehen habe?“, da war Stews Energie wieder da! Vor allem, als der Bus nun auch noch an den ausgebrannten Autowracks der G20-Krawalle vorbei kam. Genau das – mit dem Bus unterwegs sein und etwas Erleben, damit wir etwas haben, was wir in unsere Comictagebücher zeichnen und schreiben können, war doch auch Teil des Plans gewesen!
Als dann auch noch die Sonne raus kam, hatte der Bus den Cruise Center Altona erreicht. Mike hielt an der erstbesten Möglichkeit, wo man einen großen Linienbus einigermaßen unproblematisch parken konnte und mit Zeichenblock und Tagebüchern ausgerüstet, machten wir uns auf den Weg zur Aussichtsplattform, wo ein gigantisches Kreuzfahrtschiff darauf wartete, beglotzt zu werden. Wir haben dann vor den Augen der AIDA unseren praktischen Workshop-Teil veranstaltet, nämlich, wie man sich selbst als Comicfigur zeichnet (auf diesem Foto erklärt Timo gerade, wie wichtig es ist, die Augenbrauen mitzuzeichnen!).

Wer hätte das noch gedacht … Die Kinder haben großartig mitgemacht, es sind geniale Selbstportraits dabei heraus gekommen. Und dann noch Minecraft-Selbstportraits. Und Drachen. Und dann wurde auch weiter aus unserem Buch abgezeichnet – Eulen, Pferde, Monstertrucks, Aliens. Braucht man schließlich auch alles in Comictagebüchern! Was Comictagebücher hingegen offenbar nicht brauchen, sind Pläne. Nur coole Kinder, entspannte Lehrerinnen (die einem sogar einen Kaffee mitbringen!) und besonnene Veranstalter und ja – ein bisschen Sonne. Was hätten wir nur ohne euch gemacht!
Dank euch war es doch noch ein wunderbarer Workshop, so dass Stew auf der Rücktour doch noch ihre Comictagebuch-Bus-Geschichten gegen den Motorenlärm angelesen hat. Die Stimme hat darunter zwar gelitten, aber nicht die Stimmung. Und als wir wieder am ZOB ankamen, und ein kleines Mädchen fragte, ob wir nicht einfach noch weiterfahren und sie weiter zeichnen könnten, war alles wieder gut. Dass wir also noch einmal einen Workshop geben, ist nicht ausgeschlossen – aber wenn wir einen machen, dann nur noch völlig planlos!

PS: 1000 Dank an die Drachenkinder-Klasse und ihre Lehrerinnen, Mike, Melanie, Christian, Kai, Katja, Andreas, Cornelia, Güde, den Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften e.V., dem HVV und der Sonne! Ihr wart sowas von super! Danke dafür!

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